Herr Greber, Redakteur der Presse, hat vor kurzem einen Artikel veröffentlicht, in dem er beschreibt, wie er das so mit der Kindererziehung und „Körperstrafen“ sieht. Natürlich gab es den zu erwarteten, und gerechtfertigten, Sturm der Entrüstung. Da mach ich doch gleich mit, dachte ich mir, weil ich doch einiges anders sehe als der Herr Greber und da steh ich nicht alleine da. Um diesen Artikel geht’s: http://diepresse.com/home/bildung/erziehung/4607949/Wer-Strafe-nicht-vollzieht-wird-unglaubwurdig
Und hier wird schon per Facebook eifrig diskutiert: https://www.facebook.com/DiePressecom/posts/10152369610827364
Und das hier wären dann meine zwei Eurocents zu dem Thema:
Sehr geehrter Herr Greber,
Eines haben Sie mir voraus: Sie können schön sprechen. Wirklich. Also das muss man ihnen lassen, so ein Gebilde wie „militant-pazifistisch“ muss einem erst einfallen. Auch das Gesamtbild des Artikels hinterlässt bei mir den Eindruck, dass hier ein mir verbal überlegener Mann zu Werke geht. Da haben Sie mir sicherlich einiges voraus.
Ich stell mich aber trotzdem auf die gleiche Stufe wie Sie. Denn sie schreiben ja, dass Sie ihr Kind ein klein wenig mehr wertschätzen und ein klein wenig mehr lieben als andere Eltern, da Ihre Tochter ja still geboren wurde. Da möchte ich Ihnen zunächst mein ehrliches und herzliches Beileid aussprechen, das ist eines der schlimmsten Dinge, die Eltern passieren können. Uns ist das auch passiert. Auch unsere Tochter wurde kurz vor der Geburt, zwei Wochen vor dem Termin, still geboren, wir haben Sie auch in den Armen gehalten und selbst zu Grabe getragen.
Ich würde aber nicht behaupten, dass ich deswegen den Wert eines Kindes „besser als viele andere Eltern“ einschätzen kann. So eine Aussage halte ich, mit Verlaub, für etwas abgehoben. So ein Erlebnis, so dramatisch und traurig das auch ist, erhebt Sie nicht in den Rang eines Menschen, der mehr liebt oder wertschätzt als andere Eltern. In meinem Freundeskreis tummeln sich viele Eltern mit vielen Kindern, und ich garantiere Ihnen, dass die alle ihre Kinder genauso lieben und wertschätzen, wie ich meine. Trotz allem. Trotz meiner verstorbenen Tochter.
Und dann muss ich auch gleich gestehen, dass es auch mir, als Vater zweier weiterer Kinder, 2 Burschen, schon passiert ist, dass ich einen von den beiden gezwickt habe. Im Affekt. Aber ich bin nicht stolz darauf. Ganz im Gegenteil, ich habe mich grundlegend geniert dafür und es hat mich traurig gemacht. Und ich habe mich dafür bei meinem Sohn entschuldigt, ihm erklärt, warum das gerade passiert ist und ihm gesagt, dass ich das nicht darf, weil es verboten ist. Vor allem, weil ich das nicht tun möchte. Wir haben dann nicht gelacht, sondern mir war eher nach heulen zu Mute. Dem Bub war auch nicht so nach lachen, sondern eher nach kuscheln. Das haben wir dann auch gemacht. Das war ziemlich „infantil-romantisch„, aber schön.
Ich hab das Papa-Sein nicht gelernt, da bin ich eher mitgewachsen mit meinen Kindern und tue das immer noch. Es ist ein stetiges Lernen, oft auch ein Kampf und nicht immer einfach. Manchmal sogar recht schwierig. Die Weisheit hab ich diesbezüglich auch nicht mit dem Löffel gegessen. Und ein gewaltfreier Weg ist mit Sicherheit der aufwendigere. Aber es klappt. Aus meiner Erfahrung kann ich berichten, dass die Kinder vorgelebte Werte übernehmen. Das kann jetzt gut oder schlecht sein, kommt auf die Werte an. Zum Beispiel sitzt mein Großer recht oft vor dem Tablett, weil er sieht, dass ich das auch mache. Nicht so super. Aber dafür liest er auch ziemlich viel, weil wir das auch machen. Beide Burschen sind ziemliche Gerechtigkeitsfanatiker, weil wir das vorleben. Sie sind empathisch und es ist ihnen beiden vollkommen egal, welche Hautfarbe und Herkunft jemand hat, weil es, so wie wir es vorleben, völlig irrelevant ist. Das sind mir wichtige Werte. Ok, sie werden beide vielleicht so wie ich penetrant überpünktlich sein, ein Wert, der mir sehr wichtig ist, den andere aber manchmal komisch finden. So ist das halt.
Mir ist sehr wichtig, dass meine Kinder nicht so Werte übernehmen wie „mit guten Worten und etwas Gewalt erreicht man stets mehr als nur mit guten Worten.“ Ich glaube nicht daran. Ich glaube schon daran, dass man Kindern gewisse Grenzen setzen muss. Ich bin kein Fan der vollkommen antiautoritären Erziehung. Allein schon aus gesundheitlichen Gründen muss man das tun. Sie haben völlig recht, wenn Sie sagen, dass man bei einer Gefährdung besser „realistisch statt ideologisch“ sein sollte. Aber auch das geht ohne Gewalt. Auch ohne Gewalt kann man Grenzen setzen und konsequent sein.
Ich käme nie auf die Idee, Gewalt zu institutionalisieren, wie Sie es tun. Mit Ankündigung anzuwenden. „ ´1, 2, 3.´ Wird bei drei nicht gefolgt, kommt die Strafe garantiert, ohne Debatte und Mäßigung.“. Das käme mir nie in den Sinn. Ich rede mir halt den Mund fusselig. Das nervt, das gebe ich zu und macht mich manchmal rasend, aber das gehört für mich dazu. Und ja, Kinder Fehler machen lassen, gehört auch dazu, da gehen wir konform. Aber angekündigt übers Knie legen oder an den Ohren ziehen? Geht nicht. Ich finde es ja auch bemerkenswert, dass sie Ihren Sohn nicht an Stellen körperlich maßregeln wollen, die „persönlich“ sind. Da möchte ich gerne meinen Freund, den A. aus Buenos Aires zitieren: „mein Körper hat also Stellen die weniger persönlich sind als andere??“. Hab ich mich auch gefragt, ehrlich gesagt.
Und wenn man bösartig ist, könnte man fast annehmen, dass Sie vielleicht drauf achten, Ihren Sohn dort zu maßregeln, wo man es danach nicht sehen kann. Aber das ist Auslegungssache und ich möchte Ihnen das auch nicht unterstellen und natürlich gilt die Unschuldsvermutung.
Aber _sollte_ es so sein, dann schlage ich vor, es vielleicht einfach ganz bleiben zu lassen. Wie gesagt, es ist mühsam und anstrengend. Ich verstehe schon, „es gibt wenig Nervigeres als das endlose, zum Hysterischen anschwellende Einreden auf Kinder“. Das stimmt, es nervt. Aber man kann sich, wenn man will, die Mühe machen und trotzdem konsequent bleiben. Oder man macht es sich halt einfach und zieht an den Ohren und motiviert durch Angst.